Vereinsgeschichte

Geschichte der Vogelkunde in Halle und Umgebung

 

Alte Quellen

1749 und 1755 gab JOHANN CHRISTOPH DREYHAUPT in zwei Bänden seine „Chronik von Halle und dem Saalkreis“ heraus. In ihr finden sich die vermutlich ältesten gedruckten Angaben über Vogelarten in und um Halle.

In dem von 1820 bis 1844 durch JOHANN FRIEDRICH NAUMANN aus Ziebigk im Kreis Köthen veröffentlichten zwölfbändigen Werk zur „Naturgeschichte der Vögel Deutschlands“ finden sich auch einige wenige Beobachtungen aus unserer Gegend.

Zwei ergiebigere Quellen sind die 1870 von EDUARD BALDAMUS im Halleschen Tageblatt veröffentlichten Beobachtungen „Die in Halle und Umgebung heimischen Vögel“ und die 1871 von EUGÉNE REY verfasste „Ornis von Halle“.

 

Erste Vereinsgründungen

In der Universitätsstadt Halle gründeten vogelkundlich interessierte Bürger erstmals im November 1871 einen Zusammenschluss als „Ornithologischer Centralverein für Sachsen und Thüringen in Halle“. Erster Vorsitzender dieses Centralvereins war Dr. phil. EUGÉNE REY, welcher später mit dem zweibändigen Werk „Die Eier der Vögel Mitteleuropas“ [681 Textseiten und 128 Farbtafeln (Gera 1899-1905 und Lobenstein 1912)] auf sich aufmerksam machte. Im Zentralmagazin Naturwissenschftlicher Sammlungen (ZNS) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befinden sich noch heute zahlreiche Exponate seiner ehemals sehr umfangreichen oologischen Sammlung.

Im Januar 1873 konstituierten sich in Halle die Vogelzuchtliebhaber zum „Verein zur Hebung der Geflügel- und Vogelzucht“ unter Leitung von Lehrer ROBERT TITTEL. Somit bestanden im Jahr 1873 in Halle für kurze Zeit zwei Vereine, die nach ihren Statuten weitgehend gleiche Zwecke anstrebten. Das führte schnell, bereits im Oktober 1873, zum Zusammenschluss. Unter dem älteren Namen „Ornithologischer Centralverein für Sachsen und Thüringen“ vereinigten sich die Mitglieder, E. REY blieb erster Vorsitzender und R. TITTEL wurde zweiter Vorsitzender. 1874 bereitete E. REY seinen Umzug nach Leipzig vor, der im April 1875 erfolgte. R. TITTEL übernahm dann den Vorsitz des Ornithologischen Centralvereins, die Ausrichtung der Vereinsarbeit tendierte dann allerdings [ohne E. REY] mehr und mehr zur Geflügelzucht und -haltung sowie zu Veranstaltungen von Geflügelausstellungen.

Vermutlich führte dies im Januar 1875 zur Gründung eines neuen Vereins in Halle, dem „Verein für Vogelkunde“ unter dem Vorsitz von Regierungsrat EUGEN von SCHLECHTENDAL. Da dieser neu ausgerichtete Verein auch überregional sehr großen Zuspruch erfuhr, änderte er noch im Gründungsjahr seinen Namen auf „Sächsisch-Thüringischer Verein für Vogelkunde und Vogelschutz in Halle an der Saale“. Später, im Jahr 1878, wurde der Verein in „Deutscher Verein zum Schutze der Vogelwelt“ umbenannt; so reagierte man auf den schnellen Mitgliederzuwachs aus allen deutschsprachigen Gebieten. Bis 1912 stieg die Mitgliederzahl des Vereins enorm. Die Vereinsarbeit konzentrierte sich allerdings überwiegend auf die Freude am gemeinsamen Beobachten von Vögeln, auf Vorträge und auf Maßnahmen zum Vogelschutz. Über das Vorkommen und die Verbreitung von Vogelarten finden sich leider nur wenige Belege wie

• die Veröffentlichungen von OTTO TASCHENBERG über „Die Avifauna in der Umgebung von Halle“ (1893) sowie Nachträge dazu ebenfalls aus dem Jahr 1893 und nochmals 1909,
• die Berichte „Ornithologisches aus der Umgebung von Halle“ (1895) des Lehrers KARL WENZEL aus Gutenberg im Saalkreis,
• „Die Fauna Krosigks“ (1908) von RUDOLF NEUBAUR sowie
• die von OTTO TASCHENBERG bearbeiteten Vögel in der Schrift von WILLI ULE zur „Heimatkunde des Saalkreises, des Stadtkreises Halle und des Mansfelder Seekreises“ (1909).

Eine echte avifaunistische Erkundung des Gebietes ist bis zum ersten Weltkrieg noch nicht nachweisbar. Nach 1918 ließ auch die gesellige Vereinstätigkeit spürbar nach. Schließlich löste sich 1937 der „Verein für Vogelkunde“ auf, um der nationalsozialistischen Gleichschaltung zu entgehen.

Es gab noch andere frühe ornithologische Gründungen in Halle. Beispielsweise existiert eine rote Mitgliedskarte mit dem Aufdruck: „Hallescher Ornithologischer Verein Halle (Saale) E.V. – Halloria 1871“! Weiter konstituierte sich im Januar 1875 auf Vorschlag von R. TITTEL noch ein „Verein zur Pflege der Vögel im Winter“, der sich später zum „Halleschen Vogelschutzverein“ wandelte und wohl bis 1937 bestand. Auch eine noch vor dem ersten Weltkrieg gegründete Gruppe des Bundes für Vogelschutz entfaltete später keine öffentliche Wirksamkeit mehr. Ein Adressbucheintrag von 1939 weist hin auf den Namen „Hallischer ornithologischer Verein“ unter Vorsitz von Bäckermeister KURT ELZE. Wesentliche Spuren oder avifaunistische Nachrichten haben diese vier Zusammenschlüsse allerdings nicht hinterlassen.

Ab 1925 engagierte sich OTTO KELLER ehrenamtlich als Leiter der „Beratungsstelle für Vogelschutz“. Er wurde später hauptamtlicher Referent der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen und betrieb eine rege Öffentlichkeitsarbeit auf dem Gebiet des Vogelschutzes. Es gab eine lockere Verbindung der „Kellerianer“ in einer Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde bei der Halleschen Volkshochschule. Eine Vereinsgründung fand jedoch ebenso wenig statt wie schriftliche Aufzeichnungen von Daten der zahlreichen öffentlichen Exkursionen.

Wertvolle Angaben aus der Zeit zwischen den Weltkriegen haben dagegen JOHANNES KUMMER sen. und jun., ERNST HESSE sowie KURT NILIUS hinterlassen. Sie waren es auch, die am 15.07.1940 gemeinsam mit OTTO KELLER in Halle einen neuen Verein gründeten, den „Landesbund für Vogelschutz Sachsen-Anhalt e.V.“. Geschäftsführer wurde OTTO KELLER. Eine feierliche Gründungsversammlung fand nachträglich am 18.11.1940 in der Aula der halleschen Universität statt. Der Verein hatte binnen kurzer Zeit 3.000 Mitglieder und überstand sogar das Kriegsende. Da JOHANNES KUMMER sen. seit den letzten Kriegstagen verschollen war und OTTO KELLER im Juni 1945 starb, führte Frau LIES WOLF, die frühere Mitarbeiterin von OTTO KELLER, den Bund weiter und erwirkte beim sowjetischen Kommandanten sogar, dass die Arbeit ab 1947 wieder aktiviert werden konnte. Am 01.09.1950 wurde der Landesbund in den Deutschen Kulturbund eingegliedert.

 

Die Ornithologen im Kulturbund

Im Kulturbund änderte der Landesbund am 09.01.1951 seinen Namen in „Arbeitsgemeinschaft Ornithologie und Vogelschutz“. Die AG wurde bis 1955 vom Lehrer PAUL KUCKELT geleitet. Von 1955 bis 1964 leitete der Goldschmiedemeister HEINZ SCHNIGGENFITTIG die zwischenzeitlich zur Fachgruppe umbenannte Gemeinschaft.

Im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Arbeitsgemeinschaft und der späteren Fachgruppe lag der Schwerpunkt in der Verbreitung vogelkundlicher Kenntnisse im Kreis der Mitglieder und in der Propagierung von Vogelkunde und Vogelschutz in der Öffentlichkeit. Es nahmen z.T. über 60 Interessierte an den Lehrwanderungen teil, zu den Vorträgen erschienen nicht selten 100 bis 200 Zuhörer. Aus jener Zeit resultiert die gute Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Institut der Universität, die bis heute anhält. Der Förderung durch den damaligen Kustos Dr. RUDOLF PIECHOCKI verdankte die Fachgruppe die Nutzung von Sammlungsmaterialien und Räumlichkeiten des Zoologischen Instituts am Domplatz in Halle sowie viele gehaltvolle Vorträge. Insbesondere nach dem 1952 gefassten Beschluss zur Neubearbeitung der „Ornis von Halle“ setzte eine zielgerichtete Dokumentation von Vogelbeobachtungen ein, da die bisher zur Verfügung stehenden Daten noch eine zu geringe Aussagekraft hatten. Nach 1959 begannen darüber hinaus planmäßige Bestandsuntersuchungen in verschiedensten Lebensräumen, u.a. in Auenwäldern, auf Friedhöfen, an den Mötzlicher Teichen, in der Dölauer Heide, an der Saale und in weiteren Teilen der Stadt. Aktiviert wurde das Erfassen und Auswerten auch durch die Mitarbeit der halleschen Vogelfreunde an der Internationalen Entenvogelzählung seit den 1950er Jahren (später: Internationale Wasservogelzählung) bis heute.

Am 31.01.1964 wechselte die Fachgruppenleitung von HEINZ SCHNIGGENFITTIG zum Gymnasiallehrer REINHARD GNIELKA. Eine neue Ornithologengeneration gab ab 1960 hektografierte Schnellnachrichten heraus. Z.B. stellte Dr. KLAUS LIEDEL von 1962 bis 1967 eine Fülle von Beobachtungsmeldungen in 25 Nummern der „Schnellnachrichten Saale-Elster-Unstrut“ zusammen. In Regie von Dr. ARND STIEFEL dokumentierten die Ornithologen des ehemaligen Bezirkes Halle ab 1964 tausende Brutbelege auf Nestkarten. Mitglieder der Fachgruppe Halle lieferten seit der Begründung der avifaunistischen Zeitschrift „Apus“ im Jahr 1966 viele Manuskripte und beteiligten sich finanziell und organisatorisch an der Herausgabe dieses Publikationsorgans für die Bezirke Halle und Magdeburg, ab Band 8 (1992) nunmehr für Sachsen-Anhalt. Bereits 1977 übernahm Dr. KLAUS LIEDEL mit dem Band 4 die Schriftleitung des „Apus“ und diese verantwortungsvolle Außendarstellung des heutigen Ornithologenverbandes Sachsen-Anhalt (OSA) lag bis zum Abschluss von Band 13 (2008) in seinen Händen. Ab Band 14 (2009) übernahm ROBERT SCHÖNBRODT die Schriftleitung des OSA-Verbandsorgans „Apus – Beiträge zur Avifauna Sachsen-Anhalts“ und führt diese bis heute weiter.

Besonders zu erwähnen sind zwei ehemalig sehr aktive ornithologische Schularbeitsgemeinschaften, langjährig geführt durch die Gymnasiallehrer REINHARD GNIELKA und HELMUT TAUCHNITZ in den Jahren 1960 bis 1974 bzw. 1975 bis 1991. Durch wöchentliche Treffen, viele Exkursionen, einige Fernfahrten und jährliche Beringerlager wuchs in diesen Gemeinschaften wertvoller Nachwuchs heran.

 

Die wissenschaftliche Vogelberingung

Ein weiteres interessantes Betätigungsfeld der Ornithologen ist die Wissenschaftliche Vogelberingung. Bereits um 1925 schlossen sich einige „Vogelfänger“, die bis dahin dem Fang von Vögeln zur Käfighaltung nachgegangen waren, den Markierungsvorhaben der Vogelwarten Rossitten und Helgoland an. Daten aus dieser Zeit gibt es nur wenige, da sie meist selbständig arbeiteten, d.h. ohne Kontakte miteinander zu haben. Erst 1939 teilte JOHANNES KUMMER sen. Beringungsergebnisse mit, u. a. von KARL FORCHNER, ERNST HESSE, FRITZ RIMPLER, OTTO KELLER und eigene Daten. Nach dem 2. Weltkrieg verstärkte sich die Tätigkeit. Bis zu zehn ehrenamtliche Beringer arbeiteten in Halle und Umgebung. In Ammendorf, am südlichen Stadtrand von Halle, gründete sich 1933 ein „Verein für Vogelschutz“ unter Leitung von ERNST SEIFERT. Neben den zeitgemäßen Vogelschutzbemühungen widmeten sich aber auch zahlreiche Mitglieder in einer Beringergemeinschaft der Markierung von jährlich bis zu 1.500 Vögeln, darunter Graureiher und Greifvögel. U.a. fand auch RUDOLF PIECHOCKI, in Ammendorf geboren, über diese Gruppe zur Vogelkunde, zuerst als Beringungshelfer, später dann mit eigener Beringungserlaubnis.

Erste zusammenfassende Berichte mit Art und Anzahl der markierten Vögel wurden ab 1962 von einem der damals aktivsten Beringer, KARL FORCHNER, erstellt. Prof. Dr. ARNDT STIEFEL koordinierte die Beringung ab 1970 und verfasste auch die jährlichen Berichte, deren Deckblätter von KURT ROST aus Holleben mit Linolschnitten gestaltet wurden. Die planmäßige Beringung in der näheren Umgebung von Halle und die Mitarbeit an verschiedenen nationalen und internationalen Programmen unterstützen derzeit die OVH-Vereinsmitglieder WOLF-DIETRICH HOEBEL, LUKAS KRATZSCH, UBBO MAMMEN, MARK und ROBERT SCHÖNBRODT, TIMM SPRETKE, TOBIAS STENZEL und HELMUT TAUCHNITZ. Seit 1964 war und ist die Beringungszentrale Hiddensee für die Markierung der Vögel in der DDR und nach der „Wende“ für die Neuen Bundesländer zuständig. In der Publikation „Berichte der Vogelwarte Hiddensee“ finden sich auch zahlreiche Daten aus Halle und Umgebung. Die Beringer aus Halle kennzeichnen je Jahr etwa 4.500 Vögel. Dabei wird immer mehr Wert auf die Mitarbeit in landes- und bundesweiten Beringungsprogrammen gelegt (IMS-Programm; Bienenfresser; Bartmeisen; Rauchschwalben; Uferschwalben u.a.m.).

Seit 1975 erfolgen planmäßige Beringungen zum Zweck populationsökologischer Untersuchungen an Greifvögeln und Eulen im Stadt- und im ehemaligen Saalkreis. Dabei werden die Beringer ROBERT SCHÖNBRODT und HELMUT TAUCHNITZ langjährig von GERFRIED KLAMMER, GERALD KRAUSE und MATTHIAS RÜTZ unterstützt. Die Daten werden dem Europäischen Greifvogel- und Eulenmonitoring zur Verfügung gestellt. Bisher sind Ergebnisse aus 40 Jahren Greifvogelberingung in Halle und Umgebung ausgewertet; dabei wurden zwischen 1975 und 2014 allein in Halle und im ehemaligen Saalkreis >4.000 Horste erstiegen und über 2.800 Mäusebussarde, >2.500 Rotmilane, >1.400 Schwarzmilane, >1.400 Turmfalken sowie >750 Rohrweihen und in kleinerer Anzahl weitere Greifvögel anderer Arten mit Ringen der Vogelwarte Hiddensee markiert.

 

Die Betreuung der Insel Große Kirr

Seit 1972 dokumentieren hallesche Ornithologen den Brutvogelbestand im 370 ha großen Küstenvogelschutzgebiet Insel Kirr. Die Insel liegt im Barther Bodden südlich des Ostseeheilbades Zingst. Zu dieser ehrenamtlichen Tätigkeit gehören während der meist jeweils 14tägigen Durchgänge auf der Insel auch die Information von interessierten Urlaubern, die Kontrolle der Schutzbestimmungen, die Erfassung von Störungen und Prädatoren sowie die Dokumentation der Beweidung durch Rinder. Seit 1990 ist die Insel Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Aus dem Ornithologischen Verein Halle e.V. stellen sich, nun im Auftrag des Nationalparkamtes, weiterhin Vereinsfreunde für die oben genannten Aufgaben von April bis Juli eines jeden Jahres zur Verfügung. Unter den Initiatoren dieser verantwortungsvollen Vogelwärter-Tätigkeiten sind besonders Prof. Dr. HORST und HELGE SCHEUFLER und Prof. Dr. ARND und CHRISTINE STIEFEL zu nennen. Danach übernahmen TIMM und CORNELIA SPRETKE die Koordination und viele Aufenthalte. Weiterhin engagierten und engagieren sich seit vielen Jahren WILHELM und LOTTE WISCHHOF, HORST und CHRISTA NAUMANN, BEATE und JÖRG NAUMANN, HARALD KRUG, ANNETT BELLMANN, Dr. THOMAS HOFMANN, ANNETT und FRANK SCHUMACHER, MATTHIAS BÖNICKE, LUKAS KRATZSCH und viele andere.

 

Neue Gründungen und Arbeitsfelder

Im Umfeld der halleschen „Fachgruppe für Ornithologie und Vogelschutz“ konstituierten sich ebenfalls im Kulturbund am 12.02.1968 eine „Fachgruppe Ornithologie Saalkreis“ und am 12.03.1975 eine „Fachgruppe Halle-Neustadt“. Die Saalkreisgruppe leitete KURT ROST und später WILHELM WISCHHOF, die Fachgruppe in Halle-Neustadt ERICH KOCH. Zwischen den Fachgruppen bestanden enge Bindungen, die Zusammenarbeit war jederzeit gut und gedeihlich.

Schritt für Schritt wurde der Beschluss von 1952 zur Neubearbeitung der „Ornis von Halle“ durch planmäßige Erfassungen und Literaturauswertungen in die Realität umgesetzt. 1983 erschienen der Band 1 der „Avifauna von Halle und Umgebung“, bearbeitet von REINHARD GNIELKA unter Mitarbeit von TIMM SPRETKE, HELMUT TAUCHNITZ und Dr. BERND REUTER. Schon 1984 folgte der Band 2, bearbeitet von REINHARD GNIELKA unter Mitarbeit von Dr. KLAUS LIEDEL, TIMM SPRETKE, Dr. ARND STIEFEL, HELMUT TAUCHNITZ und WILHELM WISCHHOF. Etwa 3 Millionen Daten von 400 Beobachtern sind ausgewertet worden, darunter 18.000 Nestfunde. Über 25 Jahre Gemeinschaftsarbeit waren notwendig, ehe diese Dokumentation vorgelegt werden konnte.

Dieser Arbeitsstil wurde in den folgenden Jahren qualifiziert und intensiviert. Dazu beigetragen hat auch die Mitarbeit an der DDR-weiten Messtischblattkartierung von 1978 bis 1982/83, deren Ergebnisse später zu einer Feinrasterkartierung auf 1 km² großen Gitterfeldern der Stadtkreise Halle und Halle-Neustadt sowie des Saalkreises ermutigten. 37 Vogelfreunde aus den drei Fachgruppen Halle, Halle-Neustadt und Saalkreis bearbeiteten erstmals flächendeckend von 1983 bis 1986 die 770 km² Territorium der drei Kreise und stellten 124 Brutvogelarten fest. Der aus den Kartierungsergebnissen von ROBERT SCHÖNBRODT und TIMM SPRETKE publizierte „Brutvogelatlas von Halle und Umgebung“ (1989) war Teil einer biogeographischen Kartierung der Stadt und ihres Umlandes und diente nicht zuletzt auch der Landschaftsplanung und dem Naturschutz nach der Wende 1989/90.

REINHARD GNIELKA, Dr. KLAUS LIEDEL, ROBERT SCHÖNBRODT und Prof. Dr. ARND STIEFEL haben sich über viele Jahre im Bezirksfachausschuss (BFA) für Ornithologie und Vogelschutz des Bezirkes Halle im Kulturbund engagiert. Von 1969 bis 1990/91 leitete Dr. KLAUS LIEDEL diesen BFA bis zu dessen Auflösung. Die o.g. Mitglieder gehörten dann sofort zum Gründungsvorstand, der am 06. April 1991 den Ornithologenverband Sachsen-Anhalt e.V. (OSA) aus der Taufe hob. Dr. KLAUS LIEDEL stand dem neuen Landesverband OSA bis September 1995 als Vorsitzender vor und war dann bis 2008 weiterhin als OSA-Vorstandsmitglied in der Funktion des Schriftleiters der Verbandszeitschrift Apus aktiv. Im November 2007 wurde unser OVH-Vereinsmitglied MARK SCHÖNBRODT als Vorsitzender des Ornithologenverbandes (OSA) gewählt. Weitere Mitglieder des OVH arbeiten z.T. seit der Gründung 1991 im OSA-Vorstand bzw. im OSA-Beirat mit.

 

Der Ornithologische Verein Halle (OVH)

Als in den „Wendetagen“ der Kulturbund der DDR als Dachorganisation „abgewickelt“ wurde ergab sich die Möglichkeit, eine neue Gemeinschaftsform zu finden. Die drei Fachgruppen aus Halle, Halle-Neustadt und aus dem Saalkreis fanden sich unter dem Vorsitz von REINHARD GNIELKA zur Gründung eines Vereins zusammen. Am 30.01.1991 wurde der „Ornithologische Verein Halle e.V.“ (OVH) gegründet und am 02.10.1991 unter der Nr. VR – 594 in das Vereinsregister beim Kreisgericht Halle eingetragen. Die Gemeinnützigkeit wurde am 21.01.1992 vom Finanzamt Halle-Süd anerkannt. In der ersten Satzung waren u.a. die folgenden Ziele festgeschrieben: Forschung, Vogelschutz und Öffentlichkeitsarbeit.

Der Ornithologische Verein Halle organisiert jährlich rund 30 Veranstaltungen, darunter Vereins- und Vortragsabende, Ausstellungen und öffentliche Führungen zu allen Jahreszeiten. Besonders sei hier eingeladen zu der seit 2011 begründeten Vortragsreihe „Natur(er)leben“ des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen (ZNS) der Martin-Luther-Universität, die in Abständen gemeinsam mit dem OVH Vorträge für die breite Öffentlichkeit anbietet.

Noch immer betreuen Mitglieder des OVH in der Brutzeit die Vogelinsel Kirr. Seit 1999 bereichert jährlich ein ganztägiger Vereinsausflug die Gemeinschaftsarbeit und seit 2003 erscheint immer halbjährig unser internes Mitteilungsblatt, der „Vereinsbote„. Die Mitglieder beteiligen sich an regionalen, an deutschland- und europaweiten Projekten und Monitoringprogrammen, z.B. beteiligen sich seit dem Jahr 2004 Mitglieder des OVH am bundesweiten Monitoring häufiger Brutvogelarten.

Vereinsmitglieder koordinierten und unterstützten die Kartierung der Brutvögel des Südteils von Sachsen-Anhalt in den Jahren 1990 bis 1995 (s. GNIELKA & ZAUMSEIL 1997), sie wirkten an der langwierigen [1998 bis 2008] Brutvogelkartierung des Nordteils von Sachsen-Anhalt mit (s. FISCHER & PSCHORN 2012) und waren seit 2006 bis 2009 aktiv in die Feldarbeiten für das Projekt ADEBAR integriert, in den Atlas DEutscher BrutvogelARten, ein Projekt der Stiftung Vogelmonitoring Deutschland. Die Ergebnisse dieser letzten deutschlandweiten Brutvogelkartierung liegen seit 2014 in dem gewichtigen 800 Seiten umfassenden Werk „Atlas Deutscher Brutvogelarten“ gedruckt vor. Einer der vier Hauptautoren des „ADEBAR“, Dr. Kai Gedeon, ist Mitglied im OVH und berichtete uns in seinem Vortrag im September 2015 über die immensen ehrenamtlichen Anstrengungen, die bundesweit geleistet wurden: 80 Millionen Vogelreviere in 400.000 Stunden wurden erfasst… und viele unserer OVH-Mitglieder waren dabei.

Der Ornithologische Verein Halle ist seit 1991 Mitglied im „Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA)“, war von 2001 bis 2012 auch Mitglied im „Förderverein Numburg e.V.“ (einer Beobachtungsstation am Europäischen Vogelschutzgebiet „Helmestausee Berga-Kelbra“), von 2001 bis 2017 Mitglied im „Verein der Förderer und Freunde des halleschen Bergzoo e.V.“ und seit 2011 Mitglied im „Verein zur Förderung des Naturkundlichen Universitätsmuseums Halle (Saale)“.

Die Leitung des Ornithologischen Vereins Halle (OVH) lag bis zum 25.01.2006 in den Händen von REINHARD GNIELKA, der die Ornithologen in und um Halle damit 42 Jahre führte. Der neue Vorstand unter Leitung von PETER TISCHLER verlieh noch auf der Wahlversammlung am 25.01.2006 an REINHARD GNIELKA die Ehrenmitgliedschaft des OVH. Weitere Ehrenmitglieder des OVH waren die inzwischen verstorbenen Ornithologen KURT ROST und Prof. Dr. RUDOLF PIECHOCKI.

Der folgende Vorsitzende, PETER TISCHLER, aktivierte in seiner Amtszeit von 2006 bis 2012 die Tätigkeit des Vorstands. Die Vereinsarbeit wurde inhaltlich und organisatorisch neu ausgerichtet. Zahlreiche Neuerungen schufen positive Rahmenbedingungen für ein vielfältiges und interessantes Vereinsleben. Im Jahr 2006 wurde ein Beirat berufen und am 31.01.2007 beschloss die Mitgliederversammlung eine neue Satzung. Seit 2008 präsentiert sich der OVH der Öffentlichkeit mit einer professionell neu gestalteten Vereinshomepage im Internet. Im gleichen Jahr wurde die korporative Mitgliedschaft im „Verein zur Förderung des Naturkundlichen Universitätsmuseums Halle (Saale) e. V.“ beschlossen. Ein 2007 herausgegebenes Faltblatt vermittelt Einblicke in das Wirken des OVH und der 2011 erstellte Aufkleber dient der Popularisierung des Vereins. Aktuelle Erkenntnisse zum Brutbestand ausgewählter Vogelarten erbrachte das in den Jahren 2009 bis 2012 durchgeführte Vereinsprojekt „Stadtvogelkartierung“. Ein Faltblatt unterstützte dieses Projekt und vermittelte zugleich Wissen über einige heimische Stadtvogelarten. 2011 war der OVH Gastgeber der 21. Tagung des Landesverbandes OSA. Im gleichen Jahr verfassten Mitglieder des OVH ein interessantes APUS-Sonderheft zur Geschichte der halleschen Ornithologie. Der für das Jahr 2012 veröffentlichte Umweltkalender der Stadt Halle „Singvögel in der Saalestadt“ wurde maßgeblich durch den Verein mitgestaltet. Die Herausgabe des 2003 von PETER TISCHLER begründeten „Vereinsboten“ erfolgte zweimal jährlich und ist seit dem fester Bestandteil der Vereinsarbeit.

Im Januar 2012 wurde TOBIAS STENZEL zum Vereinsvorsitzenden gewählt. Die langjährig bewährten Aktivitäten werden auch unter Leitung des derzeit wirkenden OVH-Vereinsvorstandes fortgeführt und ausgebaut. Dazu zählen vor allem die Erfassungen zu den Terminen der Internationalen Wasservogelzählung, die Betreuung der Seevogelinsel Große Kirr im Barther Bodden, die Mitarbeit an ornithologischen Landes- und Bundesprojekten und brandaktuell die seit 2015 begonnene botanisch-zoologische Inventarisierung der Naturschutzgebiete, Geschützten Landschaftsbestandteile und Flächennaturdenkmale in der Saalestadt Halle.

 

Literaturauswahl zum Thema:

GNIELKA, R. (1983): Zur Geschichte der avifaunistischen Erkundung. In: Avifauna von Halle und Umgebung. Teil 1. Halle, S. 12-14.

GNIELKA, R. (1984): Nachtrag zur Geschichte. In: Avifauna von Halle und Umgebung. Teil 2. Halle, S. 80.

GNIELKA, R. (1992): Der Ornithologische Verein Halle e.V. Apus 8 (1): 42.

GNIELKA, R. & T. STENZEL (1998): Vögel (Aves). In: Arten- und Biotopschutzprogramm Sachsen-Anhalt – Stadt Halle (Saale). Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, SH 4/1998: 285-295.

HEIDECKE, D. (2011): Ornithologen am Zoologischen Institut der Alma mater halensis. Apus 16 (SH): 79-104

KUMMER. J. (1939): Beitrag zur Vogelforschung von Halle und Umgebung. Zeitschr. f. d. Naturwissenschaften. Halle a. S., 93.Band.

NILIUS, K. (1966): 15 Jahre Fachgruppe Halle. Apus 1(1), S. 61-62.

REY, E. (1871): Die Ornis von Halle. Zeitschr. f. d. gesammten Naturwiss. 37: 453-489.

SCHÖNBRODT, R. (2011): 20 Jahre Ornithologischer Verein Halle und ein Blick zurück. Apus 16 (SH):5-56.

SCHÖNBRODT, R. (2015): Forschungen zur Person Dr. phil. Jean Guilllaume Charles Eugéne Rey. Jahresbericht 2014, Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: 43-45.

SCHÖNBRODT, R. & T. SPRETKE (1989): Brutvogelatlas von Halle und Umgebung. Ergebnisse einer Feinrasterkartierung 1983-1986. Halle, 136 S.

TAUCHNITZ, H. (2011): Vogelfang, Vogelberingung und Vogelfänger in Halle. Apus 16 (SH): 57-78.

Robert Schönbrodt